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Der Marketingchef der WM preist bei SPORT1 die angeblich verbesserten Bedingungen für die Arbeiter und lädt einen Kritiker ein.
Exklusive Bilder von der WM-Baustelle in Al Wakra
Von Mathias Frohnapfel und Holger Luhmann
München/Doha - Die Bagger in Al Wakra rollen und schaufeln wie im Takt eines unhörbaren Wüstenliedes.
Hier in der 80.000 Einwohner zählenden Hafenstadt am Persischen Golf schuften Arbeiter bei sengender Hitze, um ein neues Fußball-Stadion zu errichten.
Wenn es fertig ist, wird es 45.000 Zuschauern Platz bieten und mit seinem geschwungenen Dach architektonisch durchaus ansehnlich erscheinen.
"Das erste Stadion soll bis 2018 fertig sein"
Gebaut wird es für die WM 2022.
Fünf WM-Arenen werden acht Jahre vor dem umstrittenen Großereignis im Emirat Katar bereits hochgezogen.
"Die Arbeiten zeigen, wie ernst es uns damit ist, eine überragende WM 2022 in Katar zu feiern und die Stadien bereits vor den Fristen fertigzustellen", sagt Nasser Al Khater im Gespräch mit SPORT1.
Und um dies zusätzlich zu unterstreichen, fügt der Marketing- und Kommunikationschef der WM hinzu: "Das erste Stadion soll bis 2018 komplett fertig sein."
Die dunkle Kehrseite der Medaille
Zustände wie in Brasilien, wo einige Stadien erst kurz vor der Weltmeisterschaft fertig wurden, sind in Katar nicht zu befürchten. Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere, die dunkle Kehrseite, setzt sich aus mehreren Punkten zusammen: Die anhaltenden Bestechungsvorwürfe im Zusammenhang mit der WM-Vergabe. Das heiße Klima, das den besten Fußballern der Welt extremste Leistungen abverlangen würde. Und natürlich die Arbeitsbedingungen auf den Großbaustellen, auf denen die Arbeiter schon jetzt unmenschliche Leistungen vollbringen müssen.
"Wir sind bereit, die WM im Sommer oder Winter durchzuführen - oder in jeder anderen Zeit des Jahres", betont Al Khater.
Doch ob die WM tatsächlich 2022 in Katar stattfinden wird, erscheint mit jedem Tag fraglicher. Selbst im Weltverband FIFA regt sich Widerstand - und der Wunsch, das Turnier neu zu vergeben.
48-Stunden-Woche - inklusive Pausen
Al Khater hat für all dies - für die Kritik, für die Vorbehalte, für die Widerstände - wenig Verständnis.
"Wir legen den allergrößten Wert darauf, dass alle Baustellen für die WM in Übereinstimmung mit den Gesetzen umgesetzt werden. Wir haben zudem einen weiteren Katalog aller Arbeitnehmerrechte von 50 Seiten, der in allen Verträgen eingebunden ist", zählt Al Khater auf.
Der "Standard" sei eine 48-Stunden-Woche, dazu gehörten auch Pausen, um zu essen und zu trinken.
Al Khater spricht von "265 Inspektoren", die die Bedingungen auf den Baustellen kontrollieren. Darunter befänden sich auch Inspektoren, die bei der Internationalen Arbeitsorganisation in Italien geschult worden seien.
"Nach Angaben des Entwicklungs- und Planungsministeriums gab es zwischen März und August 709 Inspektionen der Arbeiterunterkünfte, dabei wurden 827 Verstöße festgestellt", sagt Al Khater: "Die Regierung arbeitet an dem Problem und bemüht sich sehr, die Arbeitsgesetze umzusetzen. Und wir tun natürlich das Gleiche."
"Bisher", schildert Al Khater weiter, "gab es auf den WM-Baustellen noch keinen einzigen Todesfall."
Amnesty International zeichnet Schreckensszenario
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) zeichnen ein anderes, ein weitaus erschreckenderes Szenario.
Es gab bereits Berichte über 44 tote Arbeiter und unwürdige Bedingungen auf Baustellen.
Der IGB warnte vor bis zu 4000 Toten bis zum WM-Start.
Katars WM-Stadien: Vision 2022 auf der Probe
Rechtelose Gastarbeiter
Al Khater ist überzeugt, die Probleme in den Griff zu bekommen. Dies zu glauben, fällt schwer.
In Katar leben etwa 225.000 Staatsbürger, dazu kommen von 1,8 Millionen Migranten.
Wie in den meisten anderen Ländern am Golf sind die Einwanderer fast rechtelos.
Die Gastarbeiter sind von ihrem Arbeitgeber abhängig, müssen für ihren sogenannten "Sponsor" arbeiten, können weder den Arbeitsplatz wechseln noch das Land verlassen.
Überliefert ist das Schicksal des Nepalesen Chirari Mahato, der von sechs Uhr morgens bis sieben Uhr in einer Gluthölle arbeitete und in einem heißen, schmutzigen Loch lebte - gemeinsam mit zwölf anderen. Essen und Trinken sind schlecht und ungenügend, von Hygiene kann keine Rede sein. Mahato starb im Schlaf.
Zwanziger und Watzke als Kritiker
Es sind nicht zuletzt solche Berichte, die die Kritik an einer WM in Katar nicht verstummen lässt.
Alle Weltmeister
1930
Uruguay (4:2 gegen Argentinien)
1934
Italien (2:1 n.V. gegen die Tschechoslowakei)
1938
Italien (4:2 gegen Ungarn)
1950
Uruguay (2:1 gegen Brasilien)
1954
Deutschland (3:2 gegen Ungarn)
1958
Brasilien (5:2 gegen Schweden)
1962
Brasilien (3:1 gegen die Tschechoslowakei)
1966
England (4:2 n.V. gegen Deutschland)
1970
Brasilien (4:1 gegen Italien)
1974
Deutschland (2:1 gegen die Niederlande)
1978
Argentinien (3:1 n.V. gegen die Niederlande)
1982
Italien (3:1 gegen Deutschland)
1986
Argentinien (3:2 gegen Deutschland)
1990
Deutschland (1:0 gegen Argentinien)
1994
Brasilien (0:0 n.V., 3:2 i.E. gegen Italien)
1998
Frankreich (3:0 gegen Brasilien)
2002
Brasilien (2:0 gegen Deutschland)
2006
Italien (1:1 n.V., 5:3 i.E. gegen Frankreich)
2010
Spanien (1:0 n.V. gegen die Niederlande)
Auch stellt sich ja die Frage, wie bei solch einer Gluthitze Fußballspiele auf höchstem Niveau stattfinden sollen.
Gar nicht. Finden unter anderem Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger, der noch immer Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees ist.
Die WM als "natürliche Fortsetzung"
Man strecke Kritikern wie Herrn Dr. Zwanziger und Herrn Watzke die Hand entgegen, und "lade sie ein, nach Katar zu kommen und zu sehen, welche Fortschritte wir machen", kontert Al Khater.
Er preist neben den verbesserten Bedingungen für die Arbeiter auch die "Stadien und die Kühlungstechnologie".
"Katar hat in der Vergangenheit schon viele Sportereignisse beherbergt, angefangen von der U-20-WM 1995 über die Asienspiele 2006 bis hin zum Asiencup 2011", erklärt Al Khater. Die WM sei da "eine natürliche Fortsetzung".
Die Vision dahinter: "Wir wollen eine Sportindustrie in dieser Region erschaffen".
Loblied auf die Kühlungstechnologie
Ein Zaubermittel, um das zu erreichen, erkennt er in der Kühlungstechnologie.
Während der WM in diesem Jahr habe es einen "Testlauf" in einer Fan-Zone gegeben.
"Wir konnten die Temperatur auf zirka 22 Grad senken und sind zuversichtlich, dass wir das auch in einem größeren Umfang tun können", erklärt Al Khater.
Alles natürlich "so umweltfreundlich wie möglich", sagt er und verweist auf ein Kühlsystem, das Wasser aus der heruntergekühlten Luft gewinnt.
Viele Arbeiter würden für nur einen Hauch dieses Luxus dankbar sein.
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